Hubert Aiwanger - Söder ist kein Autist - ein offener Brief

Es passiert leider immer häufiger, dass der Begriff "Autist" in diffamierender Weise Verwendung findet - gerade im politischen Kontext konnte dies in der letzten Zeit immer häufiger beobachtet werden (wie bereits an dieser Stelle berichtet).

Erst vor Kurzem kam es zu einer weiteren unbedachten, negativ konnotierten Verwendung dieses Begriffs. Diesmal von niemand Geringerem, als dem neuen Koalitionspartner der CSU, Freie Wähler Chef und stellvertretender Ministerpräsident von Bayern, Hubert Aiwanger. In einem Interview mit dem Landshuter Wochenblatt attestierte dieser nämlich anerkennend, "Markus Söder ist kein Autist". Grundsätzlich hat Herr Aiwanger mit seiner Aussage vermutlich auch recht, da Herr Söder tatsächlich kein Autist ist. Zumindest möchte ich mir nicht anmaßen, das Gegenteil zu behaupten. Allerdings ist seine Begründung, warum unser Ministerpräsident kein Autist sei, alles andere als schmeichelhaft für uns Autisten. Denn diese führt er wie folgt auf: "Ich habe einen guten Draht zu Markus Söder gefunden und möchte meinen Einfluss ausnutzen. Er ist sehr zugänglich für gute Ideen. Markus Söder ist kein Autist, sondern geht auch auf gute Vorschläge ein und hört auf andere. Als sein Stellvertreter habe ich einen engen Kontakt zu ihm."

Um dem Missstand zu begegnen, "Autist" in herabwürdigender Art und Weise zu verwenden, haben wir (Silke Wanninger-Bachem, Werner Kelnhofer und meine Wenigkeit) uns entschlossen, Herrn Aiwanger in Form eines offenen Briefes um eine Stellungnahme zu bitten.

UPDATE 24.01.2019 - wir haben einen Termin!

Nach langem Hin und Her und auch teilweise langen Wartezeiten zwischen den "Hin und Hers" (Silke hatte dies in Ihrem Beitrag sehr gut in Worte gefasst), ist nun endlich ein Termin zustande gekommen. Vielen Dank für deine Mühen, Silke!

Silke Wanninger-Bachem, Werner Kelnhofer und ich werden uns nächste Woche (KW5) in Landshut mit Herrn Aiwanger zu einem persönlichen Gespräch treffen. Wir hoffen so, das Thema Autismus noch stärker in die Politik einbringen zu können, um auch dort die bitter nötige Aufklärungsarbeit leisten zu können.

Wir werden darüber berichten. Ganz gewiss ;-)

UPDATE 03.12.2018 - offizielle Antwort von Herrn Aiwanger

Am Montag, dem 03.12.2018 haben wir von Herrn Aiwanger ein persönliches Antwortschreiben erhalten, in dem er sich in aller Form und meiner Ansicht nach auch aufrichtig für seine Aussage "Söder ist kein Autist" entschuldigte. Er wollte Autisten zu keinem Zeitpunkt diskreditieren. Zudem möchte er auch den persönlichen Kontakt suchen, um mehr über Autismus und die geplante Autismus-Strategie zu erfahren.

Meine Damen und Herren, wie ihr seht - konstruktiv und sachlich geführte Diskurse sind durchaus zielführend und daher immer vorzuziehen!

Neuigkeiten zum Bericht des bayerischen Rundfunks

Es hat mich sehr gefreut, als mir vom bayerischen Rundfunk mitgeteilt wurde, dass der Artikel des BR über unseren offenen Brief korrigiert wurde. Gerade in der heutigen - oft diskursunfähigen - Zeit wird hier ein deutliches Zeichen gesetzt, dass man mit konstruktiver Kritik und sachlicher Vehemenz durchaus noch etwas erreichen kann.

Der neu verfasste Artikel über unseren offenen Brief spiegelt nun deutlich besser unser eigentliches Anliegen wider und distanziert unsere Arbeit in eigener Sache zudem nun auch in ausreichender Form von unserer Mitwirkung an der Erarbeitung einer Autismus-Strategie für den Freistaat Bayern.

Im Artikel wird ebenfalls erwähnt, dass die vorige Version des Artikels einen falschen Eindruck vermittelt hatte. Dies ist mir persönlich sehr wichtig, da wir Unterzeichner keine Schuld für den fälschlicherweise hergestellten Bezug zur Autismus-Strategie tragen, da wir zu keinem Zeitpunkt proklamiert haben, für diese zu sprechen. Weder offiziell, noch inoffiziell.

Der neue Artikel ist nun wirklich lesenswert, sowie informativ und kann durchaus dazu beitragen, einen konstruktiven Diskurs mit Herrn Aiwanger über das Thema Autismus zu führen. Detailfehler im Beitrag bitte ich nachzusehen. Ich hoffe, Herr Aiwanger wird sich zu unserem Brief in nächster Zeit äußern. Dass man mit Autisten durchaus vernünftig reden kann, dürften wir nun im Zuge unserer medialen, öffentlichen Korrespondenz hinreichend bewiesen haben.

https://www.br.de/nachrichten/bayern/aiwanger-wegen-autismus-aussagen-in-der-kritik,RAc2mSd

Wichtiger Hinweis zum Bericht des bayerischen Rundfunks

Diesen Abschnitt möchte ich aufgrund der informativen Vollständigkeit bestehen lassen, da die erste Version des Artikels sehr kontrovers diskutiert wurde und ein völlig falsches Bild unserer Arbeit gezeichnet wurde.

Es freut mich, dass der BR unseren offenen Brief aufgenommen und einen Beitrag darüber verfasst hat. Leider wurde bei diesem Beitrag nur ungenügend auf die Differenzierung unserer persönlichen Meinung und unserer Partizipation an der Autismus-Strategie eingegangen. Es wird der falsche Eindruck vermittelt, unser offener Brief stünde mit dieser in Verbindung. Dies ist AUSDRÜCKLICH nicht der Fall. Der Brief spiegelt lediglich unsere persönliche Meinung wider!

Auch der Titel "Autisten gegen Aiwanger" ist etwas hart formuliert, lieber BR. Wir sind nicht gegen ihn. Wir wollen nur, dass die Vorurteile gegen Autisten nicht noch weiter geschürt werden. Wir haben es in der Gesellschaft auch so schon schwer genug. Es ist vielmehr ein "mit" ihm. Mit klaren Worten zwar, aber dennoch mit dem Ziel eines gemeinsamen Konsens. Gemeinsam für mehr Aufklärung. Dazu stehe ich.

https://www.br.de/nachrichten/bayern/autisten-gegen-aiwanger,RAc2mSd

Eine wundervolle Stellungnahme, die ich ebenfalls vollumfänglich unterstütze, stammt aus der Feder einer lieben Freundin und Mitunterzeichnerin des offenen Briefes an Herrn Aiwanger, Silke Wanninger-Bachem. Nachzulesen auf Ihrer Website unter folgendem Link:
https://silkewanningerbachem.wordpress.com/2018/11/29/autisten-sind-nicht-gegen-aiwanger/

Offener Brief an Hubert Aiwanger

Quelle: Hubert Aiwanger im Landshuter Wochenblatt vom 07.11.2018
Quelle: Landshuter Wochenblatt vom 07.11.2018

Mit Interesse verfolgen wir, Silke Wanninger-Bachem, Thomas Schneider und Werner Kelnhofer, das politische Geschehen in Bayern.

Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Bayerische Sozialministerium die Entwicklung einer Autismus-Strategie in Auftrag gegeben hat. In diese Aufgabe sind wir als Autistinnen und Autisten im Zuge der angestrebten Partizipation mit eingebunden.

Mit Überraschung und Verwunderung ist uns daher eine Aussage aufgefallen, die Sie, Herr Aiwanger, gemäß dem Artikel "Markus Söder ist kein Autist" im Landshuter Wochenblatt vom 07.11.2018 geäußert haben.

Dort werden Sie wie folgt zitiert: "Ich habe einen guten Draht zu Markus Söder gefunden und möchte meinen Einfluss ausnutzen. Er ist sehr zugänglich für gute Ideen. Markus Söder ist kein Autist, sondern geht auch auf gute Vorschläge ein und hört auf andere. Als sein Stellvertreter habe ich einen engen Kontakt zu ihm."

Wir fragen uns daher: Was wollten Sie mit der Aussage "Markus Söder ist kein Autist" ausdrücken? Der Zusammenhang lässt darauf schließen, dass Sie zum Einen offenbar eine sehr begrenzte Sichtweise von Autisten haben, denen Sie ein Hören und Eingehen auf gute Vorschläge anderer nicht zutrauen. Zum Anderen verwenden Sie daraus schließend den Begriff Autismus hier als Synonym für Ignoranz und Verbohrtheit.

Wir empfinden Ihre Aussagen als diskriminierend und behindertenfeindlich! Indem Sie Autismus als Metapher für eine Beschreibung eines von Ihnen nicht gut geheißenen Verhaltens nutzen, diffamieren Sie eine ganze Gruppe von Menschen, die im Allgemeinen dafür bekannt sind, dass sie sehr gerechtigkeits- und wahrheitsliebend sind. Solche Eigenschaften erachten wir eher als wünschenswerte Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Koalitionspartnern. Insofern ist die Verwendung des Begriffes Autismus in diesem Zusammenhang erst recht nicht angebracht.

Gerade in Anbetracht der Entwicklung einer bayerischen Autismus-Strategie, die zum Ziel hat, die Lebenssituation von Autisten signifikant zu verbessern, ist Ihre Aussage ein Schlag ins Gesicht. Denn eine solche Aussage macht die Bestrebung, ein besseres Verständnis durch Aufklärung zu erzielen, zu einer Farce. Sie haben uns Autisten und der bayerischen Autismus-Strategie somit einen wahren Bärendienst erwiesen.

Daher fordern wir Sie auf, sich von Ihrer zitierten Aussage über Autisten deutlich zu distanzieren und im Gegenzug die Anstrengungen des Bayerischen Landtags, eine Autismus-Strategie zu entwickeln, aktiv und positiv zu unterstützen.

Gezeichnet

Silke Wanninger-Bachem
(https://silkewanningerbachem.wordpress.com)

Werner Kelnhofer
(http://www.as-tt.de)

Thomas Schneider
(https://inter-mundos.de)

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