Ehrenamtlich ausgenutzt

Hallo zusammen, lange nichts mehr von einander gehört. Der Hauptgrund dafür, dass es auf meiner Seite über eine sehr lange Zeit so still war, hängt auch mit dem Thema zusammen, das ich heute gerne mit euch teilen möchte. Das Ehrenamt. Ich war und bin auch immer noch ein Verfechter von ehrenamtlichen Engagement. Gerade in der momentanen Situation, den fehlenden Fachkräften und der immer weiter voranschreitenden Zersplitterung unserer Gesellschaft, ist es wichtiger denn je, sich ehrenamtlich zu engagieren und seinen Teil zum Funktionieren der Gesellschaft beizutragen. Problematisch wird es aber, wenn dieses gesellschaftliche Engagement ausgenutzt - ja, als gegeben vorausgesetzt wird.

 

 

Wie viele von euch vielleicht wissen, war ich Teil des Projektes zur Erarbeitung einer Autismus-Strategie für Bayern, bin seit 2022 im Vorstand von autismus Bayern e.V. und seit diesem Jahr auch bei autismus Regensburg e.V. aktiv. Ich sitze in Gremien, arbeite mit an verschiedensten Projekten, begleite die Umsetzung der bayerischen Autismus-Strategie am runden Tisch Autismus und habe für unser Ziel in den letzten Jahren hunderte Stunden ehrenamtlich geleistet - genau wie auch meine Mitstreiter. Hunderte Stunden meiner Freizeit und Ressourcen auf Kosten aller Lebensbereiche. Bitte versteht mich nicht falsch - ich möchte weder jammern, noch mich in irgendeiner Weise besonders herausstellen - ich habe es immer gerne getan und die Wichtigkeit unserer Arbeit hat mir auch den nötigen Ansporn gegeben. Kurzum: es hat mir Spaß gemacht, mich zu engagieren.

Allerdings hat es mittlerweile aufgehört, Spaß zu machen. Es hat aufgehört, weil wir immer wieder gegen die gleichen Windmühlen kämpfen müssen. Es hat aufgehört, Spaß zu machen, weil die Politik nur bereit ist, Maßnahmen umzusetzen, die bequem sind, umzusetzen und sich dafür noch selbst beweihräuchert. Es hat aufgehört, Spaß zu machen, weil sich die Akteure in der Community lieber in kleinteiligen Grabenkämpfen und in immer neuen Begrifflichkeiten verliert, als das große Ganze anzupacken. Es hat aufgehört, Spaß zu machen, weil unsere Mitwirkung stets auf ehrenamtlicher Basis erfolgt und es doch immer die Institutionen sind, die von unserer Mitarbeit und unserem Wissen profitieren. Es hat aufgehört, Spaß zu machen, weil wir uns professionalisieren müssen, uns aber immer mehr Steine in den Weg gelegt werden, um uns dies auch leisten zu können.

Das alles ist für mich sehr frustrierend und ich frage mich, was das alles noch bringen soll. Sollen wir uns komplett aufreiben, nur weil die Politik es als bequem empfindet, andere die Arbeit machen zu lassen? Damit das Ehrenamt das auffängt, was die Politik in den letzten Jahren schlichtweg verschlafen hat? Sind es wirklich wir, die den Preis für dieses Versagen zu tragen haben? Das Ehrenamt muss gestärkt werden, so viel steht fest. Das Ehrenamt ist eine der wichtigsten Säulen, die unser Land tragen - aber diese Säule bröckelt. Und das gewaltig. Gerade in der aktuellen Zeit des Pflegenotstandes und Fachkräftemangels ist es unabdingbar, dass ehrenamtliches soziales Engagement gestärkt wird und den Stellenwert bekommt, den es verdient.

Es braucht große Reformen und Anstrengungen, um soziales Engagement überhaupt leistbar zu machen. Ehrenamtliches soziales Engagement sollte z.B. den Feuerwehren und Hilfsdiensten gleichgesetzt werden, damit zumindest ein gewisser Anteil an Wochenstunden über eine Freistellung rückfinanziert ist. Damit eben keine dauerhafte Überlastung der Freiwilligen die Folge ist. Es Bedarf aber auch eine sichere und ausreichende Finanzierung der Selbsthilfeverbände, damit sich diese weiterhin engagieren können. Es kann nicht angehen, dass in Gremien ein Großteil der Personen von deren Arbeitgebern entsendet werden und somit für deren Mitarbeit (oder Anwesenheit) bezahlt werden und die Vertreter der Selbsthilfe quasi froh sein müssen, dass sie überhaupt mitreden dürfen - das dann aber bitte ehrenamtlich in deren Freizeit. Es kann nicht sein, dass man das Ehrenamt ausbluten lässt - dies durch die strukturellen Bedingungen sogar noch verstärkt.

Die Selbsthilfe steht mit dem Rücken zur Wand. Wir sind uns unserer sozialen Verantwortung bewusst und kämpfen jeden Tag dafür, dieser Verantwortung auch gerecht zu werden. Aber selbst uns stehen nicht unbegrenzt Energie und Ressourcen zur Verfügung - auch wir haben unsere Grenzen. Allerdings stellt sich mir auch die Frage, ob wir überhaupt eine Wahl haben? Können wir so einfach sagen, "wir sind raus!"? Welche Konsequenzen hätte es, wenn die Selbsthilfe plötzlich nicht mehr zur Stelle wäre? Wenn wir alles der Politik überließen und sagen würden, "macht mal"? Ich weiß nicht, was dann passieren würde - und das hindert mich aktuell, die Reißleine zu ziehen. Weil ich eben nicht das Vertrauen darin habe, dass dann in unserem Sinne gehandelt werden würde. Die Politik würde vermutlich auch weiterhin nur das umsetzen, was sie auch jetzt schon tun - das was bequem für sie ist. Nur mit dem Unterschied, dass es dann kein Korrektiv mehr gäbe, das beharrlich den Finger in die Wunde legt und Versäumnisse aufzeigt.

Vielleicht ist es daher eher an der Zeit, unbequemer zu werden und wir alle gemeinsam den Druck erhöhen.

Meinen Mitstreitern im Landesverband, in den Regionalverbänden, der Selbsthilfe und Allgemein allen Menschen, die sich sozial engagieren, möchte ich an dieser Stelle noch einmal meinen herzlichen Dank aussprechen. Eure Arbeit ist wertvoll und wichtig. Wir alle tragen unseren Teil dazu bei, um "den Laden" am Laufen zu halten. Wir brauchen einen jeden von euch, denn...

... mit dem Ehrenamt fällt auch die Gesellschaft!

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